Lernen und noch mehr lernen, oder: vom Lesen ins Tun kommen

“Sie (die Schule) hat, wenn es gut ging, Schutz geboten, unter dem intensive Lernprozesse, die immer autodidaktischer Natur sind, gedeihen konnten.”

Peter Sloterdijk

Peter Sloterdijk spricht hier etwas aus, das für meinen Lebensweg und alle Erfahrungen, die wir auch in der agilen Szene gemacht haben, essentiell war: Das Lernen findet dann statt, wenn sich Menschen auf den Weg machen und selbst tun, sich also aus eigenem Antrieb oder Nutzen mit einem Thema beschäftigen und dabei etwas lernen (wollen).

Wenn ich nicht selbst denke, lese ich

Mein Weg zum Lernen war und ist lesen, lesen und noch mehr lesen. Ich lese ständig: im Zug, an der Bushaltestelle, abends im Bett, bei Mittagessen (wenn ich alleine bin). Dank der Hörbücher kann ich jetzt sogar während des Radfahrens “lesen”. Also im Grunde lese ich immer dann, wenn ich nicht selbst denke. Ich muss bei dieser Aussage immer an Arthur Schopenhauer denken. Er war der Meinung, man sollte nur lesen, wenn man nicht selbst denken will. Er war sogar der Meinung, das ständige Lesen sei schädlich:

“Wer sehr viel und fast den ganzen Tag liest, dazwischen aber sich in gedankenlosem Zeitvertreibe erholt, die Fähigkeit, selbst zu denken, allmälig verliert.”

Arthur Schopenhauer

Doch ich bin vollkommen anderer Meinung: Lesen bildet nicht nur, es ist eine der wichtigsten Grundfähigkeiten des Autodikaten. Sich Wissen aneignen, auf den Schultern der Vordenker stehe, all das geht eben nur, wenn man ständig liest und sich vor allem beim Lesen aus der eigenen “Filterblase” – wie das heute heißt – begibt.

Lesen allein reicht nicht

Doch es gibt einen Aspekt bei dem ich Schopenhauer Recht gebe: Nur das Lesen selbst reicht nicht. Lernen findet nur dann statt, wenn man das Gelesene auch anwendet, also sofort in die Praxis umsetzt. Wenn man liest, wie man einen mathematischen Beweis führt, hat man noch nicht gelernt, ihn selbst zu führen. Das ist genauso wie beim Schachspielen und Kochen. Auch wenn ich noch so viel lese, entscheidend ist es, ins Tun zu kommen. Das Können ist – laut Duden – ein “erworbenes Vermögen”. Dazu gehört Üben und Üben und noch mal Üben, wenn man etwas wirklich können will.

Den Autodidakten zeichnet aus, dass er anwendet. Und das Befreiende der Aussage von Sloterdijk ist: Wir sind alle Autodidakten: Mein kleiner Sohn sagt dazu: “‘leine machen”. Naja – und Schopenhauer wusste das auch schon:

“Dies also ist die einzige Art wie Lesen zum Schreiben bildet, indem es nämlich uns den Gebrauch lehrt, den wir von unsern eigenen Naturgaben machen können; also immer nur unter der Voraussetzung dieser. Ohne solche hingegen erlernen wir durch Lesen nichts, als kalte todte Manier, und werden zu seichten Nachahmern.”

Arthur Schopenhauer

Meine aktuellen Leseempfehlungen

Inspiration fürs Lernen findet ihr im Podcast unter “Agiles Lernen”.

Bild: Unsplash License, Susan Yin