Das Jahrhundert des Autos ist vorbei

Das 19. Jahrhundert war das Jahrhundert der Pferde. Die Mobilität und entsprechende Wirtschaftskreisläufe waren um das Pferd herum aufgebaut. In der Kavallerie war es sogar extrem bedeutsam für das Heer, sodass noch bis in den zweiten Weltkrieg hinein in den östlichen Teilen Deutschlands hunderttausende Pferde gezüchtet wurde. Nachlesen kann man das alles im Buch “Das letzte Jahrhundert der Pferde”.

Auch heute noch hat das Pferd eine wichtige Bedeutung für viele Menschen und es gibt eine blühende Industrie um die Pferde herum. Es werden sogar Premiumpreise für Pferde bezahlt, Sättel für 5.000 Euro verkauft, und wer auf die zweijährlich stattfindende Equitana fährt, erlebt eine Welt, in der Geld keine Rolle spielt.

Pferde aus dem Weg!

Doch das Jahrhundert der Pferde, als sie ein Teil der produzierenden Gesellschaft waren, als sie Mobilität und Wohlstand bedeuteten, das ist vorbei. Das Auto hatte übernommen und wurde zum Motor des Kapitalismus. Es konnte angeschafft und wieder verkauft werden. Es konnten KFZ-Werkstätten entstehen, tausende Zulieferbetriebe und eine ganze Finanzierungs- und Reiseindustrie um das Auto herum aufgebaut werden. Das zwanzigste Jahrhundert war also sicher das Jahrhundert des Autos. Damit war es weit mehr als der Garant von Mobilität oder der Stiller des Mobilitätsbedürfnisses. Es war der Treiber einer Wirtschaft, die auf ihr zu großen Teilen basierte.

It’s a car’s world

Aber wie immer fragt man sich, was ist die Henne und was das Ei: War zuerst das Auto oder zuerst die Wirtschaft da, die sich darauf einstellte? Sie bedingten einander. Letztens hat mir jemand erzählt, dass Ford und General Motor selbst die Highways bauen ließen, damit ihre Autos auch fahren konnten.

Ich erzähle diese Geschichte, weil wir gerade das gleiche wieder erleben. Das Jahrhundert des Autos ist vorbei. Es wird das Auto und viele viele Produkte rund um das Auto weiter geben. So wie es heute noch immer Pferde gibt und diese Pferde sicher besser leben, als zur Zeit des Jahrhunderts der Pferde, so wird es in ein oder zwei Jahrzehnten noch Autos geben und eine Industrie darum herum. Vielleicht weiß das der Vorstandschef von Daimler auch und schickt deshalb Mercedes wieder ins Reich des Luxusautos.

In Zukunft werden viel weniger Menschen als heute vom Auto leben

Das Auto als Massentransportsystem wird verschwinden und damit tausende von Arbeitsplätzen. Lieferketten werden zusammen brechen. Berufe verschwinden. Es gibt ja auch noch Hufschmiede, doch nicht mehr in den Mengen, wie vor 120 Jahren. Vielleicht wird es beim Auto auch zu dem Phänomen kommen, dass wir bei der Fotografie, beim Tischlern, beim Reiten, beim Nähen und vielen anderen Luxusgütern erleben. So wie es heute zwar weniger Fotografinnen und Fotografen gibt, die mit ihren Fotos Geld verdienen, aber viele, die davon leben, anderen das Fotografieren beizubringen, werden Menschen davon leben, anderen das Autofahren als Hobby beizubringen. Aber viel weniger als heute werden davon leben, Autos zu verkaufen, zu bauen, Teile zu produzieren und und und.

Schwer zu glauben? Wenn vor 120 Jahren jemand einem Pferdezüchter gesagt hätte: “Verkauf alles und mach von dem Geld eine Werkstatt für Autos auf”, hätte er es wohl auch nicht geglaubt. Das konnte ja auch keiner wissen. Die Frage ist: Wenn ich heute meine Werkstatt verkaufe, was fange ich als nächstes an?

Was wird die Wirtschaft der Zukunft ankurbeln, wenn es nicht mehr das Auto ist?

Einige halten diese Frage für bereits geklärt: Daten. Vielleicht haben sie Recht. Vielleicht auch nicht. Meine Hoffnung ist, dass es der Umbau der Wirtschaftsinfrastruktur zu einer Wirtschaft frei von fossilen Brennstoffen sein wird. Dann werden einige wenige mit ihren Luxusschlitten und ihren Fahrlehrern auf Rennplätzen herumkurven, und die Masse wird C02-neutral arbeiten, reisen und leben.

Das Schlagwort heißt New Mobility. Die wollen Andrea Kuhfuß und ich im QLab Think Tank, dem nachhaltigen Innovationslabor, Realität werden lassen. Hört hier unser Gespräch.

Bild: Unsplash License, Mark Leishman