Veganismus ist nicht die Lösung der Klimakrise

Ein Teller mit Salat: Veganismus rettet das Klima nicht

Es gab Zeiten, da war Ernährung einfach: Über Millionen von Jahren hinweg aßen unsere Vorfahren selbst erlegtes Wild, Fisch, Beeren, Nüsse und Insekten. Dieser fett- und eiweißbetonte Lebensstil half ihnen, lange Strecken zurückzulegen und für schlechte Phasen gewappnet zu sein – z. B. für Fastenzeiten, wenn Nahrung knapp war. Die Kost war pur und überlebenswichtig. Und heute? Die Industrie liefert uns Getreide wie Mais, Hafer, Gerste, Weizen und Zuckerrüben und die daraus verarbeiteten Produkte in Massen – und wir konsumieren oft nebenbei. Für uns ist das Unnatürliche selbstverständlich geworden – unseren Körper und Stoffwechsel überfordert es. So wächst die Zahl der Menschen mit Insulinresistenz und in der Folge Diabetes Typ 2 rasant an. Fakt ist: Die Agrarwirtschaft ernährt die Menschheit nicht. Sie ist reich an Kohlehydraten – aber arm an essenziellen anderen Stoffen.

Fleischesser:innen = Umweltsünder:innen?

Gründe, warum wir weniger Fleisch essen oder sogar vegan leben sollen, gibt es viele: die grausame Massenhaltung vieler Tiere, hohe Cholesterinwerte und nicht zuletzt die Rettung des Klimas. Auf den ersten Blick scheint weniger Fleisch also die Lösung für ein komplexes Problem zu sein. Kühe stoßen CO2 und Methan aus, 80 Prozent der Agrarfläche werden genutzt, um „Fleisch” zu produzieren und tausende von Wasserlitern gehen drauf, um einen Hamburger zu machen.

Die Konsequenz: Nach der Flugscham ist das Fleischessen ganz oben auf der Liste vieler Umweltaktivist:innen. Der oder die Nicht-Vegetarier:in wird zum Schädling, ganze Städte stellen auf vegetarische Ernährung um. Erstaunlich gut produzierte Filme wie The Game Changers befeuern diesen Trend und bewirken, dass viele denken: Veganismus ist die Lösung. Doch wie immer gibt es zwei Seiten der Medaille: Der Film mag einen wahren Kern haben, berichtet aber sehr einseitig. So einseitig, dass Zweifel an der Validität der zitierten, vermeintlichen Studien aufkommen.

Seien wir ehrlich: Fleisch ist nicht gleich Fleisch. Klar, weniger bis gar kein verarbeitetes Fleisch ist gut für unsere Umwelt und die Gesundheit. Sollte der Ansatz aber statt „gar kein Fleisch“ nicht eher „mehr hochwertiges Fleisch“ sein, z. B. Wildbret aus der Umgebung? So beschreibt auch Robert Lustig in seinem Buch „Metabolical“ das eigentliche Problem: Kühe scheiden deshalb Methan aus, weil wir sie vorher mit Antibiotika füttern. Ihr Bakterienbiotop im Darm ist in seiner Funktion so gestört, dass sie ständig pupsen. Kurz: Das Methan- und Fleischproblem ist von Menschen gemacht, weil sie Tiere in Mastställe stecken. Das Fleisch macht uns vor allem deshalb krank, weil es in den seltensten Fällen pur ist, wenn es bei uns auf dem Teller landet. Umgekehrt führt der vollständige Fleischverzicht meist dazu, dass wir mehr kohlenhydratreiche und andere hochverarbeitete Produkte essen. Kann das die Lösung sein?

Klasse statt Masse: Wir brauchen viel weniger, als wir denken

Das metabolische Syndrom, zu dem u. a. Übergewicht, Diabetes Typ 2 und Bluthochdruck gehören, entsteht deshalb, weil ein Großteil über Jahrzehnte hinweg eine Insulinresistenz entwickelt hat. Die Folge: Das eigene Fett aus dem Körper können wir gar nicht mehr nutzen. Wir sollten also unsere westliche Ernährung infrage stellen – oder das, was die Industrie uns als gesunde Ernährung weismachen will (z. B. Müsli zum Frühstück). Meine Meinung: Die Agrarwirtschaft in ihrer jetzigen Form müsste sich massiv wandeln, damit wir nicht geradewegs in eine Diabetes-Typ-2-Epidemie hineinrutschen.

1. Lösungsansatz: Bring die Erkenntnisse aus der Permakultur in die Agrarwirtschaft

Zugegeben: Der Ansatz erfordert einen kompletten Umschwung. Statt wie bisher wiederkehrend einjährige Pflanzen anzubauen, was unsere Böden zerstört, könnte die Landwirtschaft auf mehrjährige Pflanzen, Bäume und Sträucher setzen und viele Tiere darunter grasen lassen.

Daraus resultierten eine bessere Ernährungsgrundlage, keine Erosion, Biodiversität und weniger Diabetes vom Typ 2. C02 würde nicht nur eingespart, sondern massiv reduziert – im Gegensatz zur traditionellen Landwirtschaft. Weitere Vorteile: Die Landwirte hätten weniger Arbeit und erzielten (mengenmäßig) mehr Ausbeute, was wiederum zu mehr Gewinn führen würde. Gleichzeitig stiege der Humusanteil des Bodens, CO2 würde gebunden und wir bräuchten kein Öl mehr fürs Düngen. Die Landwirt:innen nutzten weniger Traktoren, weil sie die Erde nicht jedes Jahr umgraben müssten. Die Früchte der Sträucher wie Nüsse, Kastanien und andere Waldfrüchte ernährten uns zusätzlich mit wertvollen Eiweißen und Fetten. Lest dazu das geniale Buch „Restoration Agriculture“ von Mark Shepard und hört diesen Podcast.

Der Haken: Es klingt zu schön, um wahr zu werden. Denn die Pfadabhängigkeiten bremsen ein solches Szenario aus: Selbst, wenn wir Bauern davon überzeugen, dass sie Agroforstsysteme beginnen sollten – wie gehen wir mit dem Widerstand der Traktorenindustrie um, der Nahrungsmittelkonzerne, die neue Produkte erschaffen müsste, der Ölindustrie, die keinen Dünger mehr erzeugen müsste und der Chemieindustrie, von der wir keine Pestizide mehr bräuchten?

2. Lösungsansatz: Lerne von den Urvölkern

Beschäftigt man sich wirklich mit dem Thema Nahrung und unseren westlichen Ernährungsgewohnheiten, fällt schnell auf: Wir essen zwar alle sehr viel Fleisch und Fett, doch gleichzeitig verfetten wir deshalb, weil wir nicht genug Fleisch und Fett essen. Paradox?

An jeder Ecke lockt der Bäcker, die Pasta und die Schokolade. Unsere Hauptnahrungsquelle ist eben nicht Fleisch, sondern Weizen, Sojabohnen und Mais sowie industriell erzeugte Öle wie Sonnenblumen-, Soja- und Rapsöl. Der Naturbezug, den etwa Veganer:innen gerne als Argument für ihre Ernährung heranziehen, ist hier nicht mehr gegeben.

Ist es nicht vielmehr so, dass die vegane Ernährung sich am meisten von den Urvölkern entfernt hat? Wenn wir auf die Aborigines, Inuit und indigene Völker, die im Amazonas leben, schauen, wird klar: Kein Naturvolk ernährt sich vegan. Es steht zwar auch pflanzliche Nahrung auf dem Speiseplan, aber vor allem geht es um eins: Diese Völker ernähren sich von dem, was sie in ihrer Umgebung finden. Sie sind auf das Nahrungsvorkommen dort angewiesen. Ihr Mindset: Nimm nur das, was du wirklich brauchst. Die Ressourcen, die da sind, sorgen fürs Überleben und das darfst du nicht überstrapazieren. Der Bezug zur Nahrung ist überdies ein ganz anderer, nämlich wertschätzend.

Mindestens 90 Prozent der Menschheit geht auf die Geschichte der Jäger und Sammler zurück. Im Gegensatz dazu sind wir erst seit rund 10.000 Jahren als Viehzüchter:innen und Landwirt:innen sesshaft. Kann es also sein, dass wir einer Geschichte auf den Leim gehen, die wir selbst vor tausenden von Jahren begonnen haben? Nämlich diese: Die Menschheit konnte nur deshalb so wachsen, weil wir die Agrarwirtschaft in der jetzigen Form haben und weil wir glauben, wir brauchen sie, um alle zu ernähren.

Weizen und Co. werden auf einer erdölbasierten Landwirtschaft angebaut, die das Land unablässig durch den Einsatz von Traktoren, Pflügen und Glyphosat erodiert. Menschen brauchen nun mal Brot, Pasta, Zuckerrüben und industrielle Produkte. Also bauen Landwirt:innen all das in Massen an, was am Ende dazu führt, dass wir Mittel gegen Bluthochdruck, Diabetes Typ 2 und Herzinfarkte benötigen. Gleichzeitig verfüttern wir fast die gesamte Ausbeute an Sojabohnen und Mais an die Tiere – mit dem Resultat, dass Menschen, die deren Fleisch essen, Herzerkrankungen entwickeln. Verrückt, oder?

Das System ist am Ende

Ich glaube: Immer dann, wenn ein System zu teuer wird – es also immer schwieriger wird, den Status quo zu halten – steht ein Paradigmenwechsel an. Schauen wir uns das an: Die Gesundheitssysteme kollabieren, weil wir mehr und mehr Menschen mit Krankheiten haben, die eine Folge des metabolischen Syndroms sind. In der Mehrzahl ist der zu hohe Insulinspiegel (Insulinresistenz) die Ursache. Die Krankenkassen können das alles gar nicht mehr zahlen.

Währenddessen zerstören wir das Land um uns herum, um Nahrungsmittel anzubauen, die den obigen Zustand herbeiführen und wir ernähren uns auf diese Weise mit der Folge, dass die Biodiversität der Erde ständig abnimmt. Wir vernichten wertvolle Regenwälder für Sojabohnen und Mais, erhöhen damit den CO2-Anteil in der Atmosphäre und vernichten wichtigen Humus, der CO2 bindet. Ein Teufelskreis, der uns alle umbringen wird. Gleichzeitig wird die Produktion von Lebensmitteln teurer und immer weniger wirtschaftlich: Mehr Erdöl, mehr Dünger und mehr Pestizide werden benötigt, um die Landwirtschaft am Laufen zu halten. Die Bauern und Bäuerinnen ackern immer mehr und verdienen immer weniger. Kurz: Das gesamte System ist vollkommen falsch aufgesetzt.

Was will ich damit ausdrücken? Wir müssen nicht zu Veganer:innen werden. Das Essen von tierischen Produkten ist nicht nur gesünder, sondern spart C02, anstatt es zu vermehren. So machen uns die Hauptnahrungsquellen von Veganer:innen tatsächlich oft krank – nämlich Soja, Hafer, Pasta, Reis und oft auch hochverarbeitete vegane Industrieprodukte wie Fleischersatz aus Soja oder Erbsen mit chemischen Zusatzstoffen. Dieser Beitrag ist keine Empfehlung für eine bestimmte Ernährungsweise, im Gegenteil: Er soll aufzeigen, dass Verteufeln selten zielführend ist.

Buch- und Videoempfehlungen

Wer mehr wissen will und diesen sehr komplizierten Gedankengang nachvollziehen mag: Nachstehend findet ihr eine Liste von Büchern und Videos, die ich euch zu diesem Thema empfehle.

  • Metabolical
    • Dieses Buch ist ein Augenöffner und gleichzeitig eine Quelle der Frustration. Robert Lustig zeigt auf, wie die Kräfte alle dahin führten, dass wir fast alle zu viel industriell gefertigtes Essen zu uns nehmen. Das tötet uns. Punkt. Hier ein Vortrag zum Warmwerden.
  • Primal Endurance
    • Ich habe mich immer gefragt, warum ich meinen Körper fürs Ausdauertraining in den sogenannten Grundlagenausdauer Bereich 1 GAT 1 bringen soll. Man soll Fett verbrennen – so weit, so gut. In Wahrheit baut man auf diese Weise die Mitochondrien in den Zellen auf. Diese produzieren dann HDL (gutes Cholesterin). Doch warum soll man bei Belastung (Wettkämpfen) anfangen, Kohlehydrate zu sich zu nehmen, wenn die Kohlehydrate in Form von Zucker gar nicht bei den Mitochondrien ankommen, sondern von der Leber erst umgewandelt werden müssen? Lest mal das Buch von Marc Sisson und Brad Kearns – ein Augenöffner.
  • Was hat die Mücke je für uns getan?
  • The Fat Lies
    • Nicht das Fett in Butter oder Fleisch ist schlecht für den Körper, sondern Margarine und fast alle Kernöle. Hört euch diesen Vortrag dazu an.
  • Fasting for Survival
    • Nicht das Nicht-Essen ist schlecht, sondern Essen an sich. Regelmäßiges Fasten verlängert das Leben, wie dieser Vortrag zeigt.
  • Restoration Agriculture
    • Aus meiner Sicht ist dieses Buch von Marc Shepard ein Tipping-Point, ähnlich wie Scrum oder agiles Denken – hier wird einmal um 180 Grad um die Ecke gedacht: Alle durch die Landwirtschaft und unsere Ernährungsweisen erzeugten medizinischen und umweltrelevanten Probleme verschwinden, wenn wir einfach eine ganz andere Landwirtschaft hätten. Und wir würden sogar noch mehr Menschen ernähren können und wohlhabender werden.

Titelbild: Hermes Rivera, Unsplash