Was dürfen Menschen in Unternehmen, Conny Dethloff?

„Die Menschen mit Bock, etwas zu verändern, sind da. Aber wenn man sie fragt, warum sie es nicht tun, sagen sie: Dafür werde ich nicht bezahlt. Das ist nicht meine Rolle.“

Conny Dethloff

Mein Gast: Conny Dethloff

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Conny ist Senior Consultant und noch nicht ganz ein Jahr mein Kollege bei borisgloger consulting. Aufgefallen ist er mir damals, weil er so verrückte Sachen machte, wie zu sagen: „Ich nehme keine Rolle an“ und sich Visitenkarten zuzulegen, auf denen als Positionsbezeichnung „Mensch“ stand.

Dabei hat Conny einst Mathematik studiert, nur geglaubt, was er sah und konnte, wie seine Frau sagt, beim Diskutieren ungenießbar sein, weil er so sehr auf seine Position beharrte. Die Wendung in seinem Leben kam, als er feststellte, dass er seinen Kunden nicht wirklich helfen, sondern sie dazu bringen sollte, mehr Geld auszugeben. Erst dann begann er, sich mit Philosophie und Systemtheorie auseinanderzusetzen. 

Das sind die drei Schlüsselpunkte 

1. Menschen verstecken sich hinter Rollen

„Entweder schreibst du mir eine ganz genaue Liste mit allen Aufgaben, die zu meiner Rolle gehören oder du vergisst das Ganze und vertraust mir einfach“, das war die Antwort eines Kollegen, die Connys Idee von Rollen radikal verändert hat.

Versetzen wir uns in eine Meetingsituation: Es soll eine Entscheidung getroffen werden und alle, die eingeladen sind, haben eine Rolle, eine Funktion im Unternehmen. Sie repräsentieren eine Abteilung, ein Team, ein Produkt, irgendein Interesse. Sie sehen es als ihre Aufgabe, dieses Interesse, das sie möglicherweise nicht einmal vertreten wollen, um jeden Preis zu bewahren. Und jetzt kommt einer wie Conny und sagt: „Ich frag dich nicht in deiner Rolle, sondern dich als Mensch. Was würdest du machen?“ Und das Gegenüber sagt: „Das geht über meinen Kompetenzbereich hinaus.“

Wenn wir das zu Ende denken, dann heißt das: Diese jahrelang gut ausgebildeten Fachleute lassen sich von einer Rolle vollkommen einschränken. Sie kommen gar nicht auf die Idee, dass sie über ihre Rolle hinaus als Mensch denken dürfen. Wer auch immer diese Rolle einmal eingeführt hat, muss wohl eine allwissende Instanz sein, die sie für alle Eventualitäten perfekt modelliert hat. Wenn Menschen ihre Rollen so verstehen, ist es kein Wunder, wenn sie sich vor der Digitalisierung fürchten. Für das Denken in Schemata brauche ich doch keinen Menschen, das kann eine KI besser.

Und jetzt der Clou: Rollen abzuschaffen bedeutet nicht, Verantwortung abzuschaffen. Umgekehrt: Nur zu tun, was die Rolle vorsieht, heißt nicht, dass jemand Verantwortung übernimmt, das heißt nur, dass jemand abarbeiten kann. Die Verantwortung übernehmen ja die, die die Rolle verleihen, nicht?

2. Unternehmen müssen durchlässiger werden, wenn Arbeit Spaß machen soll

Als Menschen sind wir soziale Wesen und wollen zu einer Gruppe gehören. Kaum jemand von uns würde ohne schwerwiegenden Grund sagen: Ich breche alle Brücken ab. Ich verlasse meine Familie, meine:n Partner:in oder das Unternehmen. Was macht das mit unserer Arbeitswelt? Wenn jemand das Gefühl hat, das Unternehmen zu verlassen, wäre schlimm, dann bleibt er oder sie nicht aus Freude am Job, sondern aus Angst. Klar, das Unternehmen zu verlassen, das ist doch Verrat, oder? Dann hat jemand versagt und wird dafür bloßgestellt, entweder die Person, die geht, oder das Unternehmen, das jemanden verliert.

Deshalb nehmen Menschen viel mehr in Kauf, als ich als Außenstehender verstehen kann, zum Beispiel die totale Einschränkung ihrer Entscheidungsfreiheiten.

3. „Ich kann nicht“ geht viel tiefer als „Ich will nicht“

Ich glaube ja nicht mehr, dass die Führungsriege von Unternehmen diese nicht verändern wollen. Wenn klar ist, dass der eingeschlagene Weg falsch ist, wenn etwa die Preise für Öl einbrechen, muss mir doch klar sein, dass der Benziner das falsche Pferd ist, weil die Investor:innen das ja offensichtlich verstanden haben. Die Entscheider:innen haben vielleicht Angst davor, kurzfristig weniger Gewinn zu machen oder Leute kündigen zu müssen. Angestellte sorgen sich vielleicht um ihre Jobs.

Es ist also eher die Angst vor dem, was kommt, nicht ein Ablehnen der Veränderung. Anders ausgedrückt: Die Organisationen bewegen sich deshalb nicht, weil sie (noch) nicht das Notwendige können, um sich in die neue Richtung aufzumachen. Kurz: Es ist kein „Nicht-Wollen“, sondern ein „Nicht-Können“, das die Veränderungen in Organisationen verhindert. Sich das einzugestehen, wäre also der richtige Weg. Aber Conny sagt richtigerweise, das tut viel mehr weh und es macht auch mehr Angst, als zu sagen: Das will ich nicht.

Seit ich das weiß, bin ich zwar immer noch verblüfft, wenn Unternehmen einfach immer starr denselben Weg gehen, aber ich versteh es besser. Conny nennt es die Pfadabhängigkeit: Es wäre ja richtiggehend blöd, alles das, was man sich aufgebaut hat, und alle Investitionen einfach über Bord zu werfen, vor allem dann, wenn das alte Business noch Geld abwirft. Wer möchte der CEO sein, der dafür Verantwortung übernimmt? Lasst mich das klarstellen: Transformieren tut weh und Erfolgsgarantie gibt es keine. Aber die Prügelknaben und Opfer der Transformation sind üblicherweise ohnehin die mittleren Manager:innen, die immer alles als Letzte mitkriegen und dann aber austragen müssen.


Hier mache ich mal einen Punkt. Natürlich haben wir über noch viel mehr gesprochen und sind mehr in die Tiefe gegangen. Hört am besten einfach rein und lasst mich wissen, was eure Gedanken sind. Ich freu mich auf eure Kommentare!