Gemeinwohlökonomie: Impact- statt Profitmaximierung – mit Thomas Zimmermann (swapwork)

„Wir glauben an eine Weltwirtschaft, die gemeinwohlorientiert arbeitet. Nicht gegen Mensch und Natur, sondern für sie. Wir denken, dass das der neue Mainstream sein kann.“

Mein Gast: Thomas Zimmermann

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Thomas Zimmermann war ScrumMaster in der Ausgründung eines großen Telekommunikationskonzerns, in der er mit seinem Team an innovativen Apps arbeitete. Das Entwicklungsbudget: großzügig und frei verfügbar. Die Teammitglieder: bestens ausgebildet und hoch motiviert. Für viele ist es der Traum. Für Thomas war das zu wenig. Denn irgendwann erkannte er, dass die Produkte, an denen er jeden Tag arbeitete, in erster Linie zur Kundenbindung gedacht waren, aber eigentlich gar nicht gebraucht wurden. Gemeinsam mit einem Kollegen gründete er daher seine eigene Beratungs-Firma swapwork und arbeitet heute als agiler Organisationsentwickler und Gemeinwohlberater. Daneben hat er gemeinsam mit Gleichgesinnten das ehrenamtliche Projekt Agathe hilft ins Leben gerufen und ist Mitgründer der Zukunftsfähige Unternehmen Kooperative Freiburg.

Das sind die drei Hauptpunkte

1. Agile goes Non-Profit.

swapwork ist 2017 mit dem Ziel gestartet, nur mit Organisationen zu arbeiten, die wirklich werteorientiert arbeiten. Darum konzentrierten sich Thomas und sein Mitgründer auf NGOs – zunächst mit bescheidenem Erfolg. „In den ersten zwei Jahren hat das überhaupt nicht funktioniert“, blickt Thomas zurück. In der gemeinnützigen Welt verstand man weder, was Agilität eigentlich bedeutet, noch waren die Budgets für externe Beratung vorhanden. Aber Thomas und sein Kollege blieben hartnäckig, boten kostenlose Workshops und Trainings an und schafften es, ein Netzwerk mit etablierten Berater:innen und Trainer:innen aus dem gemeinnützigen Feld aufzubauen.

Dass die beiden so großzügig mit ihrem Know-how umgingen, stieß durchaus auf Verwunderung. „Wir wurden von anderen auch schief angekuckt, im Sinne von: Ihr verschenkt hier eure ganzen Methoden und das Fachwissen an Leute, die damit weglaufen. Aber im Prinzip hat diese Offenheit dazu geführt, dass uns die Leute ernst nehmen und wirklich weiterempfohlen haben“, erklärt Thomas. So entstanden die ersten Projekte, u. a. mit der Diakonie und der Caritas.

2. Marktwirtschaft und Gemeinwohl – geht das zusammen?

Mittlerweile ist swapwork gewachsen. Aus zwei Gründern wurden drei Gesellschafter:innen plus eine Angestellte und ein Freelancer-Netzwerk. Wachstum definiert man bei swapwork aber grundlegend anders als in der konventionellen Wirtschaft. Statt um Profitmaximierung geht es den engagierten Berater:innen um die Maximierung der Wirksamkeit. Für swapwork ist Impact der Maßstab, um Schritt für Schritt der eigenen Vision näherzukommen: „Wir glauben an eine Weltwirtschaft, die gemeinwohlorientiert arbeitet. Nicht gegen Mensch und Natur, sondern für sie. Wir denken, dass das der neue Mainstream sein muss.“

Wenn Thomas über Gemeinwohlökonomie spricht, bezieht er sich auf das Konzept von Christian Felber, der auch Attac mitgegründet hat (vgl. dazu diese Podcast-Folge). Der Profit ist dabei nur noch Mittel zum Zweck. Im Zentrum steht der Mehrwert für alle. Da es dafür auch die Unternehmen braucht, hat sich swapwork wieder für die Privatwirtschaft geöffnet und bietet heute Gemeinwohlberatung. Aber funktioniert das wirklich? Aktuell noch nicht, wie Thomas offen sagt: „Es ist schwierig, Unternehmen bzw. Vorstände dafür zu begeistern, sich dem Thema Gemeinwohlökonomie anzunehmen und das auch zu priorisieren.“ Aber das Potenzial ist da. Rund 800 Firmen nutzen aktuell den Standard der Gemeinwohlökonomie für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Gleichzeitig beweisen Firmen wie Patagonia, dass man auch radikal anders wirtschaften kann. swapwork scheint (wie auch schon beim Thema Agile für NGOs) ein gutes Timing zu haben. Thomas und seine Kolleg:innen sind da an etwas dran, das uns in den nächsten Jahren noch beschäftigen wird. Es geht um nichts weniger als die Transformation aller Unternehmen weltweit.

3. Wie man durch Nachhaltigkeitsberichterstattung ins Handeln kommt.

Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) hat die EU die Berichtspflichten erheblich erweitert. Welche Form der Berichterstattung die Firmen wählen, steht ihnen dabei frei. Der Standard der Gemeinwohlökonomie (GWÖ) zeichnet sich im Vergleich zu anderen Formen durch besonders hohe Ansprüche aus, wie Thomas betont: „Die GWÖ meint es sehr ernst mit der Greenwashing-Vermeidung. […] Neben den Pflichten der EU-Taxonomie und der CSRD lieferst du in deinem Gemeinwohlbericht umfassend Informationen darüber, wie du mit Lieferant:innen, Mitarbeiter:innen, Kund:innen, Bewerber:innen oder Unternehmen umgehst.“

Das klingt nach mehr Aufwand – ist es auch. Die GWÖ setzt voraus, dass Mitarbeiter:innen den Bericht schreiben, während bei anderen Standards oft Wirtschaftsprüfungen zum Zug kommen. Der Mehraufwand hat aber einen entscheidenden Vorteil: Wenn sich meine Mitarbeiter:innen damit beschäftigen, ist das schon der Beginn einer Transformation. Sobald sie sehen, dass es funktioniert, werden sie automatisch anders denken und handeln. Insofern ist auch Thomas’ Ansatz spannend, mit dem er gerade experimentiert. swapwork hat ein Spiel entwickelt (Change for Good), bei dem Menschen lernen, ein Unternehmen zu einer nachhaltigen Organisation umzubauen. In nur einer Stunde entsteht so ein Bericht in Plakatform. „Die Idee ist, dass die Leute im Spiel merken, dass sie Nachhaltigkeit selbst definieren müssen, und es in ihrer eigenen Verantwortung liegt, Schritte zu setzen“, sagt Thomas.

Im Grunde steht swapwork mit der Gemeinwohlberatung vor ähnlichen Herausforderungen wie die agile Szene in den 2000ern. Uns ging es immer um eine menschenzentrierte Form des Arbeitens, aber wir mussten unsere Methoden als produktiver verkaufen, um überhaupt in die Unternehmen zu kommen. Vielleicht müssen wir es bei der Nachhaltigkeit genauso machen und sagen: Leute, nachhaltiges Wirtschaften ist profitabler. Thomas plädiert zwar dafür, dass wir uns ein für alle Mal von der „Profitmaximierungsreligion“ verabschieden müssten. Am Ende sind wir uns aber einig, dass es im laufenden Betrieb überhaupt erst die Möglichkeit braucht, Nachhaltigkeit zu erleben. Die Unternehmen müssen berichten. Warum nicht gleich mit einem Standard, der die Menschen ins Handeln bringt?


Hört einmal rein in den Podcast und lasst mich wissen, was eure Gedanken sind. Ich freue mich über eure Kommentare!

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