Transformation braucht Raum auf allen Ebenen – mit Angelika Weis (Arbeitsliebe.jetzt)

„Ich kann keine Verantwortung übernehmen, wenn jemand anderes diese Verantwortung nicht geben möchte.“

Mein Gast: Angelika Weis

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Man sagt über Angelika Weis, dass sie eine hervorragende Netzwerkerin sei. Ich kann das nur bestätigen. Wir haben uns beim borisgloger Unternehmer:innen-Stammtisch kennen und schätzen gelernt. Sie ist selbstständig als Trainerin, Coach sowie Beraterin tätig und beschäftigt sich mit dem Themendreiklang New Work, New Learning und Diversity. Damit sie dieses weite Feld nicht allein beackern muss, hat sie nach ihrer Gründung einfach mal ausgewählte Kontakte angerufen und gefragt, ob Interesse an einem gemeinsamen Netzwerk besteht. Daraus ist Arbeitsliebe.jetzt entstanden – ein diverses, deutschlandweites Netzwerk für Selbstständige. Außerdem unterrichtet Angelika an der Universität Hamburg mit einem ähnlichen Anspruch, den wir mit Scrum4Schools in den Schulen haben: mit agiler Lehre zeitgemäße Methoden des Lernens anzubieten.

Das sind die drei Haupterkenntnisse

1. Wie man durch ein Netzwerk ins Handeln kommt

Arbeitsliebe.jetzt hat das Ziel, den Austausch zu fördern und Feedback zu erzeugen. Da die Mitglieder in ganz Deutschland, von Hamburg bis München verstreut sind, finden alle zwei Wochen digitale Treffen und ab und an auch eine physische Zusammenkunft statt. Dabei werden Themen wie Preisfindung oder Akquise ebenso besprochen wie Probleme, die in den eigenen Projekten auftreten. Das Netzwerk geht aber noch viel weiter. Um neue Ideen zu spinnen, setzen Geli und ihre Kolleg:innen auf Effectuation Workshops. Mit der Methode „Marktplatz der Macher:innen“ spielen sie sich die Bälle zu und kommen dadurch von einer Idee zur nächsten. So schwirren nach kurzer Zeit eine Vielzahl an Projektansätzen bzw. „Schnellbooten“ im Raum herum, auf die man aufspringen kann. Mehr als zwei Dutzend Projekte sind daraus schon entstanden.

Ich finde diesen Ansatz deshalb so genial, weil er erzwingt, wie ein:e Entrepreneur:in zu denken. Ganz ohne lahmes Business-Plan-Blabla. Geli bringt es mit einem schönen Vergleich auf den Punkt: „Wenn ich ein Rezept nachkochen will, wäre der Management-Ansatz, dass man sich ansieht, was man braucht, und dann einkaufen geht. Der Effectuation Ansatz ist anders. Du siehst dir das Rezept an, lässt dich inspirieren und schaust dann in die Schränke, was da ist. Daraus entstehen diese Schnellboote.” Übrigens auch im Unternehmenskontext eine vielversprechende Vorgehensweise, um schnell viele Ideen zu erzeugen.

2. Gamification als Türöffner für Transformation

Wenn Geli über New Work spricht, meint sie ein Selbstverständnis, das weit über die sinnbildlichen Kicker, Obstkörbe und Co. hinausgeht. Ihr geht es um das Gefühl des Belonging. Das ist zwar kein neues Konzept – Peter Drucker lässt grüßen – es werde aber kaum gelebt, kritisiert die Beraterin. Nicht weil es an Bereitschaft fehlen würde, sondern weil noch immer niemand weiß, wie es geht. Es kann auch nicht verwundern. Die Menschen sind an organisationale Muster gewohnt, die zum Großteil auf 100–200 Jahre alten Ideen basieren. Ich glaube, dass sich viele gar nicht vorstellen können, wie es anders sein könnte. Als Berater:innen müssen wir umso stärker die Vorstellungskraft triggern.

Geli schwört dabei auf Gamification-Ansätze und zielt auf eine „Veränderung von Verhaltensweisen durch spieletypische Elemente in spielefremden Kontexten“ ab. Dieser Mechanismus öffnet die Tür zu Gestaltungräumen, in denen Mitarbeiter:innen selbst verändern können – und das in einem sicheren Umfeld ohne Konsequenzen. Dadurch geschieht etwas Spannendes: „Wenn ich in diesem spielerischen Raum bin, habe ich plötzlich die Vorstellungskraft, um meine Hindernisse zu umgehen und daran Freude zu haben. Ich glaube, dass das ein wirkungsvolles Instrument der Transformation ist. Damit die Menschen erstmal diese Öffnung erleben dürfen.“ Als Belohnung winkt das bekräftigende Gefühl von Selbstwirksamkeit. Dadurch passiert etwas im Kopf. Once you see it, you can’t unsee it.

3. Verantwortung ist ein Geben und Nehmen – in dieser Reihenfolge

Mitarbeiter:innen brauchen Räume, in denen sie Neues erleben können, um überhaupt an einem organisationalen Lernen zu partizipieren. Die Führungsetage hat die Aufgabe, diese Räume zu öffnen. Nicht umsonst beschwört man ununterbrochen den Servant Leader – nur das Wunder ist eben oft ausgeblieben. Irgendwie steckt man dann doch noch in den klassischen, von Kontrollmechanismen geprägten Führungsmethoden fest, die einem damals an der Uni eingetrichtert wurden. Im Grunde geht es den Manager:innen genau wie der Belegschaft: Es fehlt ihnen eine Vorstellung, wie man es anders macht.

Ja, wie macht man es anders? Seit Jahrzehnten reden die Berater:innen davon, dass Führungskräfte das Loslassen lernen müssten. Klingt logisch, ganz so einfach ist es aber nicht. Denn allein das Narrativ des Loslassens erzeugt oft eine Angst vor der „Unmacht“. Angelika plädiert dafür, das Loslassen fernab eines vermeintlichen Machtverlusts zu denken: „Mit Loslassen meine ich ein Vertrauen darin, dass andere etwas besser machen können.“ Oder aus Sicht der Mitarbeiter:innen: „Ich kann keine Verantwortung übernehmen, wenn jemand anderes diese Verantwortung nicht geben möchte.“

Vielleicht müssen wir es den C-Levels genau so erklären. Wenn ich Mitarbeiter:innen befähige, Arbeit selbst zu gestalten – und diese Verantwortung zu geben, ist eine Form von Ermächtigung – dann bedeutet das nicht, dass meine eigene Macht als Führungskraft schrumpft. In letzter Konsequenz braucht es auch hier die individuelle Erfahrung. Manager:innen müssen sich selbst diesen Raum geben, den auch die Mitarbeiter:innen brauchen. Wenn sie erst einmal eine Vorstellung haben, was möglich ist, wird es ihnen leichter fallen, neue Führungsmuster zu entwickeln.


Hört einmal rein in den Podcast und lasst mich wissen, was eure Gedanken sind. Ich freu mich über eure Kommentare!

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