Klimaschutz, der Wirtschaft zu Liebe – mit Katharina Reuter (Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft)

„Ich finde es zum Teil fahrlässig, wie die klassischen Industrieverbände immer noch auf die langsamsten Bremser warten und sagen: ‚Das darf nicht so schnell gehen.‘ ‚Das muss freiwillig sein.‘ ‚Wir könnten uns zwar drum kümmern, aber der Staat muss das bezahlen.‘ Das macht mich wahnsinnig und die Mittelständler, die sich auf eine Zukunftsorientierung eingestellt haben, genauso.“

Katharina Reuter

Mein Gast: Katharina Reuter

„Mich motiviert das Bedürfnis, mich einzumischen und die Welt besser zu machen. Meine Arbeit ist meine Berufung“, sagt Katharina über ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft (BNW, vormals UnternehmensGrün), bei dem auch borisgloger consulting Mitglied ist. Der BNW ist ein Nachhaltigkeitsnetzwerk, in dem sich seit 1992 Unternehmen engagieren, die Verantwortung für Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft übernehmen möchten. Katharina, selbst Agrarökonomin, engagiert sich seit mehr als zwanzig Jahren für die nachhaltige Wirtschaft – zunächst in Lehre und Forschung, dann im Stiftungs- und Verbandsbereich. Der BNW ist Gründungsmitglied von Ecopreneur.eu und Mitinitiator von Entrepreneurs For Future.

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Die drei Hauptpunkte

1. Nachhaltigkeitsbremser verunsichern die Unternehmen

„Wir haben keine Wirtschaft auf einem toten Planeten.“ Der Satz ist so plakativ und oft gelesen und gehört, dass man fast vergessen könnte, dass er wahr ist: Wirtschaft braucht den Schutz des Klimas und der Biodiversität (letzteren sogar noch mehr, wie wir im Gespräch mit Frauke Fischer gehört haben) – vorausgesetzt, dass für euch die Wirtschaft nicht wichtiger ist als unser Überleben. Katharina wünscht sich dabei von den klassischen Industrieverbänden weniger Bremsen und weniger Verunsicherung. Anders gesagt: Mittlerweile kann keiner mehr leugnen, dass alles rund um Nachhaltigkeit kein Monopolthema von Aktivist:innen und Politiker:innen mehr ist, sondern ein unternehmerisches. Wer das noch nicht verstanden hat, ist selbst schuld. Und ein Branchenverband, der seine Mitglieder etwas anderes glauben lässt, handelt fahrlässig.

2. Die deutsche Politik bremst die Demokratisierung der Energieproduktion

Wer in Deutschland mit einer PV-Anlage Strom erzeugt, wird automatisch zum oder zur Unternehmer:in, weil der Fiskus nun die Einnahmen durch die PV-Anlage besteuert. Man muss sogar eine Umsatzsteuervoranmeldung machen. Alles machbar, kein Hexenwert. In Katharinas Fall werden aber die Investitionen nicht als solche gesehen: Sie seien zu groß, das “Betriebsergebnis“ zu klein, damit sei das “Geschäft” eine “Liebhaberei” (so bezeichnen Finanzämter ein Business, das gewissermaßen nur Null auf Null aufgeht), damit können die Anlage und der dazu gehörende Speicher nicht abgeschrieben werden, also wird die PV-Anlage nicht als Investition gesehen.

Warum machen es die deutsche Bürokratie und Politik den Haushalten schwer, selbst Strom zu produzieren und zu verkaufen? Weil Politiker:innen meinen, den Ökostrom können sie importieren, deshalb muss Deutschland die nachhaltige Energien nicht fördern und kann etwas, in dem es Pionier sein könnte, ins Ausland auslagern. Und weil hinter den Konzernen große Zahlen (in Geld und Jobs) und eine Lobby stehen, hinter den privaten Stromproduzent:innen nicht. Man stelle sich einmal vor, die Politik würde mit Konzernen so umgehen wie mit diesen Menschen.

3. Der Verbots- und Kosten-Mythos

„Die Menschen haben sich nicht durch gute Argumente davon überzeugen lassen, Sicherheitsgurte zu tragen“, sagt Katharina – also wurden es ihnen per Gesetz vorgeschrieben. Heute sind Automobilhersteller, die gegen Gurte lobbyieren, genauso selten wie amerikanische Filmstars, die für Zigaretten werben. Regierungen sollen Vorschriften und Verbote einführen, damit wir uns als Gesellschaft weiterentwickeln – warum sollte das beim Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz anders sein?

Aber das, was wir gewinnen würden – saubere Luft, Artenschutz, Ressourcenschutz für die Wirtschaft und das Leben der nächsten Generationen – ist abstrakt, während die Maßnahmen und Kosten erschreckend konkret sind. Ja, eine neugedachte Mobilität wird eine Änderung unserer Gewohnheiten erzwingen und sie braucht Investitionen in die Infrastruktur, damit wir vom alles dominierenden und prägenden Auto wegkommen. Aber diese Investitionen müssen zu Beginn gar nicht größer sein als ein paar zehntausend Euro Förderung für Radwege oder Versuchsregionen. Die Stadt Bremen hat vorgemacht, wie es gehen könnte.

So könnten wir uns in der Infrastruktur, aber auch in der Akzeptanz bei den Menschen schrittweise voran arbeiten. Ich glaube nicht, dass sich die Menschen den Autoverkehr in die Städte zurückwünschen werden, wenn sie erst einmal ein hervorragend ausgebautes öffentliches Nahverkehrssystem in Ergänzung mit Car Sharing, durchgängigen Fahrradwegen und belebten Fußgängerzonen gewohnt sind. (Wenn ihr mit Andrea Kuhfuß und mir über die Mobilität der Zukunft sprechen wollt, dann besucht uns bei Q-Lab.)


Hört rein, wenn ihr wissen wollt, was der Markt in Ordnung bringt und wann die Politik eingreifen muss, warum die „Pestizidbanane“ teurer als die Biobanane sein müsste und warum 30-Jährige anders wählen als 60-Jährige.