Gemeinschaftsbasiertes Wirtschaften: Macht es wie Oma! – mit Timo Wans (MYZELIUM)

„Unser Problem ist, dass die falschen Leute Unternehmer:innen sind.Meine Idealunternehmerin ist gar keine Unternehmerin. Sie ist eine idealtypische Oma, die einmal im Jahr ein Familienfest macht. Da kommen alle. […] Sie sorgt für Gemeinschaft.“

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Mein Gast: Timo Wans

Vor ein paar Wochen hatte ich Sina Wans in meinem Podcast zu Besuch und mich mit ihr darüber unterhalten, wie Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsziele gemeinschaftlich erreichen können. Heute spreche ich mit ihrem Bruder Timo Wans, der mit seinem Unternehmen MYZELIUM ein Ökosystem für gemeinschaftsbasierte Unternehmen aufbaut. Der studierte Politikwissenschaftler und Soziologe ist die Art von Person, der man stundenlang zuhören könnte. Timo hat eine starke Vision und kann diese in mitreißende Geschichten verpacken. Eigentlich war es gar nie sein Plan, ein Unternehmen zu gründen. Gut, dass er sich doch dazu entschieden hat.

Das sind die drei Hauptpunkte

1. Wirtschaften geht auch ohne Märkte

Als Timo Wans 2008/2009 zu studieren begann, wütete gerade eine Wirtschaftskrise an den Märkten. Wieder einmal hat es keiner kommen gesehen. Wieder einmal waren es ähnliche Finanzinstrumente wie in den 20er Jahren des vorherigen Jahrhunderts, die das Kartenhaus zum Einstürzen gebracht hatten. Für viele war es eine Zeit der Resignation. Für Timo war es ein Anlass, sich auf die Suche nach anderen, stabileren Formen des Wirtschaftens zu machen.

„Als Wirtschaftssoziologe kann ich mir Wirtschaften jenseits von Märkten vorstellen“, erklärt mir Timo Wans. Dass es funktionieren kann, zeigt uns die Geschichte ebenso wie die Gegenwart. Historisch gesehen ist der Markt nicht natürlich entstanden, sondern war eine Art Erlaubnis des Herrschers, einen Markttag abzuhalten. Aber auch davor hat es Wirtschaft gegeben, nur basierte diese auf natürlichen Gemeinschaften. Man wirtschaftete mit dem, was da war, und mit denen, die da waren. Ein ähnliches Prinzip, wie heute in der solidarischen Landwirtschaft.

Dabei entstehe eine ganz andere Dynamik: „Am Markt wirkt das Konkurrenzprinzip in das Unternehmen hinein. […] Beim gemeinschaftsbasierten Wirtschaften ist der Markt als ‚feindliches Außen‘ gar nicht vorhanden, sondern die Gemeinschaft wirkt dadurch, dass sie auf Kooperation setzt“. In der Realität führt dieser Weg schnell auf neues Terrain, aber Timo fühlt sich da sehr wohl, das spürt man: “Wir laden Leute ein, mit uns zu lernen und zusammen zu handeln – mit dem Ziel, neue Unternehmen aufzubauen, die nicht auf klassischen Märkten wirtschaften. Das ist so neu und intuitiv. Wir können die Frage der Klimakrise zwar noch nicht beantworten, aber wir haben einen Handlungsansatz.”

2. Gemeinschaftsbasiertes Wirtschaften funktioniert auch abseits der Landwirtschaft

Ich bin kürzlich selbst Mitglied in der Solawi Ouvertura geworden und erlebe gerade aus erster Hand, wie man Landwirtschaft solidarisch gestalten kann. Ich bin nicht länger der Kunde, sondern eine Art Mitglied und damit auch mitverantwortlich für den Erzeugungsprozess. Im Gegenzug bekomme ich einen Anteil der gemeinsam produzierten Lebensmittel. Wie das genau funktioniert, habe ich in einem anderen Beitrag erklärt.

Dieses Grundprinzip ist aber nicht nur für die Landwirtschaft interessant, sondern auch weit darüber hinaus. Das funktioniert für den hippen Co-Working-Space und das Carsharing-Unternehmen genauso, wie für den Einzelhändler ums Eck. Wenn Timo darüber spricht, leuchten seine Augen. Da sitzt mir einer gegenüber, der das große Ganze sieht. Es geht ihm nicht um einzelne Projekte, sondern er denkt in einer viel größeren Dimension der Zusammenarbeit. Jedes Unternehmen, das Mitglied bei MYZELIUM ist, bleibt Teil eines ständig wachsenden Ökosystems, in dem alle von den Erfahrungen der anderen lernen. Timo arbeitet an nichts Geringerem, als dem nächsten Schritt der wirtschaftlichen Evolution. Aus dem Homo oeconomicus wird der Homo cooperativus – das wäre doch was!

3. Wir brauchen einen neuen Typ von Unternehmer:innen

Gemeinschaftsbasiertes Wirtschaften ist eine so geniale Idee, dass man sich fragt, warum dieses Konzept nicht längst in der breiten Masse angekommen ist. Für Timo Wans ist das in erster Linie eine Frage der Persönlichkeiten: „Ich glaube, dass wir für diese Form des Unternehmertums andere Unternehmer:innen brauchen.“ Klar, wenn mein Unternehmen nur den Zweck verfolgt, dass die Umsätze jedes Jahr steigen, dann werde ich mir mit diesem Denken zunächst schwertun.

Wer sind also diese anderen Unternehmer:innen? Timo Wans beantwortet mir diese Frage mit einer kurzen Geschichte, wie sie sich in jeder Familie abspielen könnte: „Meine Idealunternehmerin ist gar keine Unternehmerin. Sie ist eine idealtypische Oma. Die macht einmal im Jahr ein Familienfest. Da kommen alle. Damit sie das machen kann, achtet sie darauf, dass sie geistig und körperlich fit bleibt, trifft sich mit ihren Freund:innen zum Networken und natürlich hat sie auch für die vegane Enkelin das richtige Kuchenrezept. Sie sorgt für Gemeinschaft.“ Das klingt nach einer begnadeten Führungskraft, davon brauchen wir mehr. Timo ist jedenfalls zuversichtlich: „Es ist gar nicht so schwierig. Denn wir müssen ja nur einzelne Menschen überzeugen, Dinge anders zu machen.“


Wie steht ihr zum gemeinschaftsbasierten Wirtschaften? Hört einfach ‘mal rein und lasst mich wissen, was ihr denkt!

Das könnte euch auch interessieren