Das eigene Auto ist ein Auslaufmodell – mit Michael Schwendinger (VCÖ)

„Mobilität hat sehr viel mit Status zu tun. Gerade im Arbeitskontext funktioniert der Dienstwagen für die obere Führungsetage auch als Symbol. Wenn ich aber von Normalbeschäftigten verlange, dass jetzt bitte alle mit dem Bus kommen sollen, während die Chef:innen mit den großen Autos vorfahren, dann ist das ein gewisser Konflikt, der natürlich die Motivation schmälert.“

Michael Schwendinger

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Michael Schwendinger arbeitet im Policy-Team des VCÖ und ist dort zuständig für Themen wie Güterverkehr, öffentlicher Verkehr und aktive Mobilität. Was als nischenhafte Verkehrsclub-Alternative für ökologisch orientierte Autofahrer:innen bereits Ende der 1980er begann, entwickelte sich über die Jahre zu einer NGO, die sich vor allem mit nachhaltigen Verkehrsthemen beschäftigt. Jedes Jahr geht der VCÖ-Mobilitätspreis an vorbildhafte Mobilitätsprojekte mit nachhaltigem Impact.

Das sind die drei Schlüsselpunkte

1. Mobilität ist beim Klimaschutz das größte Sorgenkind in Österreich und der EU

Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, müssen wir Meter machen. Dass hier besonders die Mobilität in der Verantwortung steht, zeigt schon ein schneller Blick auf entsprechende Statistiken des Emissionsausstoßes. „In Österreich ist der Verkehr seit 1990 der einzige Sektor, in dem die Emissionen massiv ansteigen“, erklärt dazu Michael Schwendinger und zeigt dabei eine folgenschwere Fehlentwicklung auf. Während es Industrie und Gebäudesektor zumindest geschafft haben, Emissionen kontinuierlich zu verringern, geht die Tendenz in der Mobilität in die völlig falsche Richtung. Und zwar so weit, dass der Verkehr bereits für 30 % aller Emissionen in Österreich verantwortlich ist.

Einerseits hat der Güterverkehr zugenommen, wobei eher der LKW als die Schiene zum Zug kommt. Andererseits verzeichnet auch der Privatpersonenverkehr ein massives Wachstum. Immer mehr Menschen nutzen immer öfter das eigene Auto – und das bei einem bedenklich niedrigen Besetzungsgrad. Zwischen dem Auto von gestern und dem Wagen von heute liegen technologisch gesehen zwar Welten. Aber obwohl wir viel „bessere“ Autos produzieren können, wird die fortschrittlichere Technologie fragwürdig eingesetzt. Statt den Minimalverbrauch als Ziel in den Fokus zu rücken, baut man allerlei Spielereien ein: die Sitzheizung, umfangreicheres Audio-Equipment in Hifi-Qualität und noch stärkere Motoren, die wir gar nicht brauchen.

Was müssen wir also machen als Gesellschaft? Keine leichte Frage angesichts der starken Unterschiede zwischen urbanen und ländlichen Gegenden. In der Stadt liegt das Erfolgsrezept klar vor uns. Das Auto muss weg (siehe z. B. Mariahilfer Straße in Wien) und die Radwege, Infrastruktur und Öffis müssen ausgebaut werden. Am Land sind ähnlich dichte Öffi-Netze hingegen nicht praktikabel. Hier machen dafür E-PKWs Sinn, die an den tatsächlichen Bedarf angepasst sind. Da die meisten Menschen eher Kurzstrecken zurücklegen (wofür sich aber ohnehin das Rad in der Regel besser eignet als das Auto), lässt sich das häufig als Gegenargument geführte Reichweitenproblem einfach entkräften. Kombiniert mit PV-Anlagen kommt auch der nötige Strom vom eigenen Dach. Und im Zweifel immer fragen: Muss ich dafür jetzt wirklich ins Auto steigen?

2. Besonders bei Routinewegen gibt es Verbesserungsbedarf und -potenzial

Der wichtigste Grund, sich ins Auto zu setzen, sind Arbeitswege. Mehr als die Hälfte aller PKWs, die unter der Woche in Österreich unterwegs sind, lassen sich darauf zurückführen. Dabei handelt es sich meist um Routinewege, d. h. viele Menschen fahren jeden Tag zur gleichen Zeit die gleiche Strecke – perfekte Voraussetzungen, um etwas Gemeinschaftliches zu organisieren. Genau hier können und sollen die Unternehmen ansetzen.

„Das betriebliche Mobilitätsmanagement“, davon ist Michael Schwendinger überzeugt, „ist ein Konzept, das man im Sinne der Erreichung der Klimaziele so schnell wie möglich so breit wie möglich ausfächern muss“. Optionen gibt es viele: Anreizsysteme, Fahrgemeinschaften, Kooperationen mit dem öffentlichen Verkehr oder auch Job-Räder und vieles mehr. Das kann funktionieren, das wissen wir aus genug Beispielen aus den Medien. Aber wie bei allem funktioniert auch diese Transformation nur, wenn die Chef:innen selbst auch mitmachen und nicht weiter mit dem dicken Firmenwagen vorfahren. Ein sinnvolles Mobilitätskonzept im Betrieb umzusetzen, ist sicher eine Herausforderung und mit Aufwand verbunden. Aber es zahlt sich aus. Unternehmen, die das gut umsetzen, machen sich als Arbeitgeber wesentlich attraktiver.

Aber auch abseits der Arbeit gibt es genug Potential für Anreize, um das Auto öfter stehenzulassen. Etwa Supermärkte und Einkaufszentren zu bauen, die nicht nur mit dem Auto erreichbar sind, oder überhaupt auf solche Stätten, die aus mehr Parkplatz als Verkaufsfläche bestehen, zu verzichten. Besonders in ländlichen Gegenden sprechen seit Jahrzehnten Lokalpolitiker:innen davon, die Ortskerne wieder zu beleben und eine gute Versorgung im Zentrum sicherzustellen. Dass die Bürgermeister:innen der Gemeinden, die solche Projekte umgesetzt haben, in der Regel wiedergewählt werden (mehr Lebensqualität, Raum für sozialen Austausch usw.), sollte ein klarer Anreiz für die politischen Akteur:innen sein!

3. Integrierte, verkehrsmittelübergreifende Mobilitätslösungen sind die Zukunft

Wir erleben schon jetzt eine Aufbruchsstimmung und neue Mobilitätsansätze, die unsere Gewohnheiten in Frage stellen. Michael Schwendinger sieht beim Personenverkehr in Zukunft einen noch stärkeren Trend zu Digitalisierung und Mobility as a Service. Im Optimalfall gibt es sogar eine integrierte Lösung, die jeder flexibel nutzen kann: „Das Ziel für 2030/40 sollte sein: Ich habe eine Mobilitätskarte im Scheckkartenformat, mit der ich die gesamte Palette nutzen kann, die in meiner Region zur Verfügung steht. Vom Carsharing-Auto über das Transport-Auto, das E-Moped, den öffentlichen Verkehr bis hin zum Mikro-ÖV. Die Mobilitätskarte ersetzt den Autoschlüssel. Ich glaube, das ist die Richtung, in die es gehen wird.“

In Österreich wird mit so Angeboten wie dem Klimaticket (ein Ticket für alle Öffis im ganzen Land, vom Zug bis zur Seilbahn) genau daran schon gefeilt. Solche Angebote (Stichwort Infrastrukturausbau) müssen auch in ländlichen Gegenden noch attraktiver werden. Aber warum auf die abwarten? In infrastrukturell schwächeren Gebieten bietet sich schon jetzt der Umstieg aufs Fahrrad an, um den nächsten Bahnhof, den Arbeitsplatz oder den Supermarkt zu erreichen. Besonders mit einem E-Bike lassen sich auch mittellange Strecken bequem und schnell meistern – ohne ins Schwitzen zu kommen. Also, ab in den Sattel!


Hört einmal rein, wenn ihr wissen wollt, was wir jetzt tun müssen, um das Sorgenkind Mobilität in die richtige Richtung zu drehen, welche Anreize den Individualverkehr eindämmen können und wie der VCÖ an der Trendwende mitarbeitet. Hinterlasst mir auch gern Kommentare! Vielleicht habt ihr ja weitere Ideen, ich freue mich darauf.

Hier findet ihr weitere inspirierende Gespräche zu Mobilität und Nachhaltigkeit: Serie Mobilität

Bild: © VCÖ Rita Newman